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AutorenbildChristoph Zinsstag - Programmdirektor

Frieden in Sicht? Der Frieden hält!

Als ich Ende Oktober meinen letzten Bericht fürs AKTUELL verfasste, stand hinter dem Frieden in der Region Tigray noch ein Fragezeichen. Jetzt dürfen wir ein Ausrufezeichen setzen, auch wenn es noch viele ungelöste Fragen gibt, Binnengeflüchtete in Lagern ausharren, die Wasserversorgung in den Städten schwer beschädigt ist und viele körperliche und noch mehr seelische Wunden nicht behandelt sind. Trotzdem, seit der Unterzeichnung eines Waffenstillstandabkommens zwischen der äthiopischen Regierung und der Tigray Partei TPLF am 2. November in Pretoria hat sich viel verbessert. Darüber staunen wir und sind von Herzen dankbar.


Marciano, ein Freund aus dem Bernbiet, der mit seinem Hilfswerk OPERATION RESCUE (OR) seit 20 Jahren Tageszentren für bedürftige Kinder im Tigray betreibt, nutzte die Gunst der Stunde und reiste Anfang Januar nach Mekelle, der Hauptstadt des Tigray. Hautnah konnte er die Verbesserungen, aber auch die harte soziale und ökonomische Realität der Menschen miterleben. Sein Zentrum blieb unversehrt und sie helfen vielen Familien im Überlebenskampf. Am 22. Januar konnte Marciano zu einer Fahrt weiter nördlich nach Adua aufbrechen, wo OR ebenfalls Tageszentren betreibt. Die Leute hätten ein grosses Bedürfnis gehabt, ihm vom erlebten Leid zu erzählen. Auf dem Rückweg besuchte er das SELAM Elshadai Kinderdorf in Wukro und wurde dort vom Mitgründer und Farmer Alem empfangen und herumgeführt. Marcianos Kommentar war nur «amazing!» (=erstaunlich!). Das dürfen auch wir sagen und Gott von Herzen danken!


Alem (l.) führt Marciano von Operation Rescue durch die Wukrofarm

Durch alle Kriegswirren und die Isolation ist das Dorf unversehrt geblieben und konnte den 160 Kindern ein sicheres Zuhause und genügend Nahrung bieten. Alle Mitarbeitenden haben ihr Bestes gegeben, gerade dann, wenn rundherum Angst und Panik herrschten. Auch vom Unwetter im Juli scheint sich die Farm, die zum eigentlichen Lebensretter in dieser Kriegszeit geworden ist, wieder erholt zu haben.


Besonders berührt hat uns das Dankesschreiben, das uns Tesfai, Teil der Dorfleitung, Mitte Januar zusandte: «Im Namen aller Kinder und Mitarbeitenden möchte ich meine tiefe Dankbarkeit und Wertschätzung ausdrücken für alle wohl überlegte Unterstützung, die unser Kinderdorf von SELAM Schweiz erhalten hat. Ich bin überzeugt, ohne diese wertvolle Hilfe zur rechten Zeit, auch auf unkonventionelle Weise, wären wir gezwungen gewesen, das Kinderdorf zu schliessen. Die kleineren Kinder wären wie unzählige andere als Bettelkinder auf den Strassen der Städte gelandet, während die grösseren Burschen zum Kampf eingezogen worden wären. Wir geniessen die Früchte des Friedensabkommens: Keine Angst mehr, durch eine Boden- oder Luftattacke verletzt zu werden. Kein Schlafmanko mehr. Kein Geschrei von verängstigten Kindern! Lebensmittel und andere wichtige Güter erreichen uns langsam, aber sicher. Darum wollen wir Gott preisen, und Gott möge SELAM, sein Team und alle Spenderinnen und Spender segnen!»


Die Avocadobäume haben sich gut vom starken Unwetter erholt.

Ich empfinde es als Privileg, mit solch demütigen und bewährten Menschen wie Tesfai und Alem unterwegs zu sein und ich freue mich auf den Tag, wo ich sie treffen, ihnen danken und zuhören kann. Als eine der wenigen intakten Organisationen sind sie und wir auch herausgefordert, wie wir über das Kinderdorf hinaus der Bevölkerung Hilfe bieten können. Es gibt im Norden noch viel Knacknüsse zu lösen und in Teilen der Oromya Region (Gebiete im Westen, Zentrum und Süden des Landes) wüten Rebellen. Beim Schreiben dieser Zeilen höre ich erstmals von Anzeichen von Verhandlungsbereitschaft der Rebellen und der Regierung. Ein Hoffnungsschimmer, der uns ermutigen soll, weiter für Äthiopien zu beten.



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